St. Urbanus für...

4. Sonntag der Osterzeit – 03.05.2020

Impuls zum Vierten Sonntag der Osterzeit von Pastoralreferent Markus Zingel

Evangelium

(Joh 10,1-10)

In jener Zeit sprach Jesus:1 Amen, amen, ich sage euch: Wer in den Schafstall nicht durch die Tür hineingeht, sondern anderswo einsteigt, der ist ein Dieb und ein Räuber. Wer aber durch die Tür hineingeht, ist der Hirt der Schafe. Ihm öffnet der Türhüter und die Schafe hören auf seine Stimme; er ruft die Schafe, die ihm gehören, einzeln beim Namen und führt sie hinaus. Wenn er alle seine Schafe hinausgetrieben hat, geht er ihnen voraus und die Schafe folgen ihm; denn sie kennen seine Stimme. Einem Fremden aber werden sie nicht folgen, sondern sie werden vor ihm fliehen, weil sie die Stimme der Fremden nicht kennen.

Dieses Gleichnis erzählte ihnen Jesus; aber sie verstanden nicht den Sinn dessen, was er ihnen gesagt hatte.

Weiter sagte Jesus zu ihnen: Amen, amen, ich sage euch: Ich bin die Tür zu den Schafen. Alle, die vor mir kamen, sind Diebe und Räuber; aber die Schafe haben nicht auf sie gehört. Ich bin die Tür; wer durch mich hineingeht, wird gerettet werden; er wird ein- und ausgehen und Weide finden. Der Dieb kommt nur, um zu stehlen, zu schlachten und zu vernichten; ich bin gekommen,
damit sie das Leben haben und es in Fülle haben.

 

Impuls

Liebe Leserin, lieber Leser,

seit einigen Wochen sind – verzeihen Sie mir den Vergleich – die “Stalltüren” unserer Herde größtenteils geschlossen. Manche Kirchen der Pfarrei sind zwar zeitweise unter der Woche offen. Aber sie sind ziemlich leer. Die Herde hat sich seit langem darin nicht mehr eingefunden. Türen zu einem Leben in Fülle – sind das jedenfalls gerade nicht.

Immer noch keine Gottesdienste, keine Treffen in Gruppen, keine Sitzungen, Feiern und Feste. Keine vertrauten Gesichter. Die Gemeinschaft, die sich so gut kennt, dass sie auch in schweren Zeiten trägt und hält, sie ist stark strapaziert.

Wenn wir vor Ort sind, stehen unsere Türen immer weit auf. Als Zeichen dafür, dass jede und jeder eingeladen ist, reinzukommen. Um an diesem „Herdenleben“ in der Nachfolge Jesu, des Guten Hirten, teilzunehmen, der uns dieses “Leben in Fülle” verspricht.

Allerdings machen mich diese Wochen auch wieder sehr nachdenklich, was das angeht. Wir merken seit langem schon, dass es uns immer seltener gelingt, neue Herden-Mitglieder willkommen zu heißen. Und jede und jeder hat sicher auch schon mal die Erfahrung gemacht, wie es ist, wenn man in eine Gruppe kommt, in der sich alle kennen, ich aber als Einziger fremd bin? Die ihre eigenen Themen und Regeln hat oder vielleicht auch einfach nicht die Gemeinschaft ist, die ich gerade suche.

In den letzten Wochen habe ich einige Erfahrungen gemacht, bei denen sich die Türen gewissermaßen andersherum geöffnet haben. Ich habe viele neue Menschen kennengelernt – durch die Alltags-Hilfe, bei der viele Freiwillige jetzt in der Corona-Krise ein stadtweites Solidaritätsnetz für Menschen aus den Risikogruppen bilden. Erzählen möchte ich von einem Mann, der schwer krank ist, alleine lebt und ein paar Mal Unterstützung bei Besorgungen erhalten hat. Durch sein Wohnzimmerfenster schaut er direkt auf die einladenden Türen eines unserer Gemeindezentren, aber mit der Gemeinde hat er bislang keine Erfahrungen gemacht. Mit jedem Telefonat – bildlich gesprochen – hat er die Tür zu seinem Leben und ich die zu meinem immer ein Stück weiter geöffnet; wir haben uns viel voneinander erzählt. Irgendwann sagte er: „Vor ein paar Jahren habe ich einen Ruf verspürt, noch mehr aus meinem Leben zu machen, ihm einen neuen Sinn zu geben.“ Und seitdem sucht er nach Möglichkeiten, ein internationales Projekt für junge Leute zu starten, weil er ihnen die gleiche Chance eröffnen möchte: ihren Weg zu finden, sich und ihre Talente zu entdecken und damit wiederum die Welt zu bereichern.

Ich erzählte ihm dann von den Ideen in unserer Pfarrei – und wir fragten uns zusammen: Vielleicht ist es ein und derselbe „Ruf“, den wir zwar in ganz unterschiedlichen Kontexten und Situationen, auf ganz unterschiedlichen Wegen hören, der uns aber gerade zusammenführt hat. Und noch mehr: Dadurch dass er mir – in seinem Kontext – etwas von seiner Suche erzählt hat, habe ich auch etwas Neues über das „Leben in Fülle“ erfahren, von dem ich im Evangelium Jesu immer wieder höre.

Ich bin unsicher, ob es diese und andere Begegnungen in der letzten Zeit hinter unserer Kirchentür gegeben hätte. Und ich denke mir: Vielleicht können wir – wenn Corona irgendwann wieder unter Kontrolle ist – es umgekehrt machen. Nicht einladen, sondern rausgehen – und auch mal bleiben. Das vertraute Umfeld und den Routinebetrieb verlassen, um etwas Neues über den eigenen Weg und die eigene Hoffnung zu lernen.

Zugegeben: Ich habe überhaupt keine Ahnung vom Schafehüten. Aber ich meine: Schafe gehören vor allem nachts in den Stall. Wenn sie Schutz brauchen. Tagsüber sind Schafe draußen mit ihrem Hirten unterwegs; sie suchen ihre Weideplätze auf; da finden sie Kraft, Nahrung, Ruhe. An den Wasserplätzen treffen sie auch auf andere Schafe und Herden. Und weil sie die Stimme ihres Hirten kennen, können sie sich nicht im Getümmel verlieren. Seinem Ruf vertrauen sie und wissen, dass er sie begleitet, beschützt, verteidigt, dass er dafür sorgt, dass sie sich nicht verlaufen, dass er sich in jeder Hinsicht um sie kümmert. So kommt das Bild zustande, das das Erste wie das Neue Testament für Gott an vielen Stellen gebrauchen. Ein guter Hirte, der mit seiner Herde unterwegs ist und nicht ein einziges Schaf davon im Stich lässt.

Ob Lockdown oder nicht: Ich merke, wie gut es mir gerade tut, viel „draußen“ zu sein.

Einen erholsamen, gesegneten Sonntag und weiterhin viel gesunde, frische Luft wünscht Ihnen und Euch
Markus Zingel, Pastoralreferent

 

Audiofassung (Evangelium und Impuls)

Videofassung (nur Impuls)