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Sonntagsimpuls – 33. Sonntag im Jahreskreis | 15.11.2020

Impuls zum 33. Sonntag im Jahreskreis von Ludger Hiepel aus Herz Jesu.

Schrifttexte

Impuls

Wieder spricht Jesus in einem Gleichnis zu seinen Jüngern. Während es im Gleichnis von den zehn Jungfrauen, das am letzten Sonntag gelesen wurde, um die Wachsamkeit und die Vorbereitung auf das Kommen des Herrn ging, steht heute die Zeit des Wartens bis zum Kommen des Herrn im Mittelpunkt.

Die letzten beiden Verse, die Verse 29–30, die übrigens wohl später als deutender Zusatz zum Text gekommen sind, irritieren zunächst gewaltig: „Denn wer hat, dem wird gegeben werden und er wird im Überfluss haben; wer aber nicht hat, dem wird auch noch weggenommen, was er hat. Werft den nichtsnutzigen Diener hinaus in die äußerste Finsternis! Dort wird Heulen und Zähneknirschen sein.“

Diese Verse, dieses Drohwort irritieren uns! Kann Jesus wollen, dass die Schere zwischen Armen und Reichen immer weiter auseinander geht, wie wir es in unserer Zeit beobachten können. Reiche, die immer reicher werden, und Arme, die immer ärmer werden. Soll das frohe Botschaft sein? Führt das zum Himmelreich, zum Reich Gottes? Nein – ich bin mir ziemlich sicher, dann wäre das Gleichnis und seine Aussage missverstanden.

Vielmehr aus der Logik des Gleichnisses heraus erklärt sich dieses dramatische Ende und ergibt sich seine Aussage: Das Bewahren allein reicht nicht aus! Wenn alle nur ihr Talent oder ihre Talente – den Glauben oder das von Gott Gegebene – bewahren, dann kann sich der Glaube an Jesus und die frohe Botschaft nicht vermehren. Damit liegt quasi alles nutzlos auf Eis. So erklären sich die Verse. Ja, sie sind der konsequente Höhepunkt, der zunächst irritiert. Sie unterstreichen aber deutlich das, was Jesus seinem Jüngerkreis und damit auch uns aufträgt: nicht nur passiv bewahren, sondern aktiv die Talente – den Glauben oder das von Gott Gegebene – vermehren.

Pointiert könnte man also diese Aufforderung zusammenfassen: „Hintern hoch!“. Dabei ist es nicht entscheidend – das Gleichnis zeigt es an den anderen beiden Dienern –, wie viel wir dazugewinnen, sondern es ist nur entscheidend, dass wir versuchen, dazugewinnen. Das Gleichnis will aber keine Angst machen, sondern vielmehr zum Handeln wie die ersten beiden Diener anregen. Die Fähigkeiten sind unterschiedlich und die Talente werden im Gleichnis entsprechend verteilt. Nur wenn man das Talent – den Glauben oder das von Gott Gegebene – brach liegen lässt, wird man zum Nichtsnutz für den Aufbau des Reiches Gottes.

Wenn ich das Gleichnis in seiner Bildwelt weiterdenke, dann fällt mir noch sinnfällig ein, dass eine vergrabene Münze anläuft und ihren Glanz verliert. Der Glaube oder das von Gott Gegeben wird glanzlos, wenn er bzw. es nur bewahrt wird und wir nicht versuchen, es zu vermehren.

Seit meinem Theologiestudium sind mir zwei Sätze besonders wichtig geworden. Der eine ist aus dem ersten Petrusbrief „Seid stets bereit, jedem Rede und Antwort zu stehen, der von euch Rechenschaft fordert über die Hoffnung, die euch erfüllt“ (1 Petrus 3,15) und der andere ist aus der Pastoralkonstitution des Zweiten Vatikanischen Konzils: „Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Menschen von heute, besonders der Armen und Bedrängten aller Art, sind auch Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Jünger Christi. Und es gibt nichts wahrhaft Menschliches, das nicht in ihren Herzen seinen Widerhall fände.“ (GS 1). Zusammen mit dem Evangelium von heute ermutigen sie mich immer wieder, im Alltag von meinen Glauben zu sprechen. Ich möchte nicht – im Bild des Gleichnisses –, dass das Talent im Acker seinen Glanz verliert. Nutzen wir also das Anvertraute – in diesem Sinne: „Hintern hoch!“ Was meinen Sie?

Ludger Hiepel