St. Urbanus für...

Sonntagsimpuls – Christkönigssonntag | 22.11.2020

Impuls zum Christkönigssonntag Sonntag im Jahreskreis von Andrea Claaßen.

Schrifttexte

Impuls

Was für ein krasser, radikaler Text! Rechts oder links, schwarz oder weiß, Himmel oder Hölle? Jesus spricht in seiner letzten großen Rede in der Öffentlichkeit vom sogenannten Weltgericht, von dem, was passiert, wenn er wiederkommt. Das mag auf den ersten Blick weit weg klingen, hat aber die Menschen zu allen Zeiten beschäftigt – und beschäftigt auch uns, wenn wir darüber nachdenken, was nach dem Tod passiert. Diese Rede vom Weltgericht in seiner scheinbar klaren Gegenüberstellung von Gut und Böse und seinen Konsequenzen hat seit jeher unser Bild von Himmel und Hölle geprägt. Denken Sie an die vielen aus dem Mittelalter stammenden Darstellungen von Himmel und Hölle! Sie fallen Ihnen bestimmt sofort ein. Himmel rechts, Hölle links. Als Vorstufe das Fegefeuer. Ein Beispiel ist das „Jüngste Gericht“ von Fra Angelico aus dem 15. Jahrhundert. Es folgt in seinem Aufbau in beeindruckender Weise der gerade gehörten Rede vom Weltgericht.

Aber der Text irritiert mich. Er wirft Fragen auf. Mein Glaube ist geprägt durch die Osterbotschaft. Es ist eine Hoffnungsbotschaft, eine Hoffnung auf Rettung. Dieses Gottvertrauen lässt sich mit dem bekannten Spruch frei nach Oscar Wilde ausdrücken: „Am Ende wird alles gut. Und wenn es nicht gut ist, ist es nicht das Ende.“ Und als eine, die den Karneval liebt, habe ich direkt den Schlager von Jupp Schmitz im Ohr: „Wir kommen alle in den Himmel“. Und dann dieser Text!?

Klar, Gott wird uns nicht alles einfach durchgehen lassen. Das machen sowohl dieser Text als auch die alttestamentlichen Bilder eines strafenden und richtenden Gottes deutlich. Aber was ist mit den vielen Texten, die uns einen rettenden, gnädigen, liebenden Gott vermitteln? Sind wir hoffnungslos verloren, wenn wir dem von Jesus hier aufgestellten Anforderungskatalog nicht in allen Punkten entsprechen können? Denn dem gerecht zu werden, kann wahrscheinlich niemand von sich behaupten. Und spricht daraus nicht die sogenannte Werkgerechtigkeit, also dass es allein reicht, genug Gutes zu tun, um erlöst zu werden? Im ökumenischen Dialog sind wir doch mittlerweile soweit, dass auch die katholische Kirche anerkennt, dass wir allein auf die Gnade Gottes hoffen dürfen, um erlöst zu werden, und wir uns nicht in irgendeiner Weise freikaufen können. Wie passt das alles zusammen?

Einen Ansatz bietet meines Erachtens die Denkfigur einer Zwischenstufe. Sie wird in der katholischen Kirche gemeinhin „Fegefeuer“ genannt, wobei ich diesen Begriff nicht mag, da er schon hier den Blick auf das ewige Feuer hin einengt. Mir gefällt der lateinische Fachbegriff Purgatorium besser. Das Verb purgare bedeutet nämlich unter anderem „reinigen, säubern“. Der Mensch tritt vor Gott und muss rein werden, um erlöst zu werden. Aber wie können wir uns das vorstellen? Mir hilft dabei eine moderne Darstellung des Purgatoriums, wie sie sich an der Pax-Christi-Kirche in Krefeld finden lässt. Dort hat der Künstler Klaus Rinke das Kunstwerk „Tor zur Ewigkeit“ geschaffen. Es handelt sich dabei um schwarze Marmorplatten, die in Türform in das Mauerwerk eingelassen sind: Wer davorsteht, sieht sich selbst. So kann ich mir das Gericht gut vorstellen. Gott hält mir den Spiegel vor und gibt mir die Gelegenheit, mich und mein Leben zu sehen, wirklich zu sehen. Ich sehe mich und alles, was ich in meinem Leben getan habe oder eben nicht getan habe. Ich erkenne alles Gute und Schlechte. Ich muss mich mit allem Bösen und Unvollkommenen auseinandersetzen – wo ich Unrecht getan habe, wo ich nicht geholfen habe, wo ich anderen, aber auch mir geschadet habe, wo ich Gott nicht gerecht geworden bin, wo die kleinen Monster des Alltags mich beherrscht haben. Das wird mit Sicherheit kein Spaziergang, sondern ein sehr schmerzhafter Prozess. Aber wenn ich mir meines Fehlverhaltens, meiner Versäumnisse und Lieblosigkeiten bewusst werde, wenn ich sie vor Gott wirklich erkenne, sie ehrlich bereue, dann vertraue ich darauf, dass Gott sich letztlich als gnädig, barmherzig und vergebend zeigt – so wie Jesus es uns in unzähligen Gleichnissen und Worten und nicht zuletzt durch seine Auferstehung vermittelt. Ich vertraue darauf, dass ich nach einem solchen Prozess vor dem Spiegel in eine gute Ewigkeit eintreten kann. – Sie auch? Wie stellen Sie sich das Danach vor?

Andrea Claaßen