Sonntagsimpuls – 1. Advent | 29.11.2020
Impuls zum 1. Advent von Martin Verfürth, Vorsitzender des Pfarrgemeinderates.
Schrifttexte
Impuls
Zu Beginn dieses Sonntagsimpulses wünsche ich Ihnen zunächst einmal ein gesegnetes neues Jahr!
„Was soll das denn?“ werden jetzt einige denken. Schon Ende November alle mit Weihnachts- und Neujahrswünschen zu bedenken, die man vielleicht nicht mehr sieht, ist doch albern und nervt.
Ich stimme Ihnen zu. Auch ich finde diese verfrühten Wünsche seltsam. Aber liturgisch gesehen hat tatsächlich gestern Abend ein neues Jahr, ein neues Kirchenjahr begonnen. Jedes Jahr am 1. Advent beginnt der Kreislauf der Festzeiten von neuem, mit Weihnachten als erstem Höhepunkt.
Die Zeit um den kalendarischen Jahreswechsel, die zwei Wochen von Heilig Abend bis zum Dreikönigsfest, nennt man manchmal die Zeit „zwischen den Jahren“. Auch der heutige erste Advent ist eine Art solcher Zeit zwischen den Jahren.
Advent, das werden die meisten wissen, heißt Ankunft. Und wir verbinden damit in der Regel die Menschwerdung Gottes, die Geburt Jesu vor mehr als 2000 Jahren. Doch im Gegensatz zu den Evangelien der nächsten drei Sonntage, in denen es um die Zeit vor seiner Geburt bzw. seinem öffentlichen Auftreten geht, hören wir jedes Jahr am ersten Advent noch einmal einen Text aus den Endzeitreden Jesu, die er kurz vor seinem Tod gehalten hat. In denen geht es um seine Wiederkunft und das Weltgericht am Ende der Zeiten. Somit schließt sich in gewisser Weise ein Kreis, denn schon an den vergangenen drei Sonntagen haben wir Ausschnitte daraus gehört. Dass das neue Kirchenjahr zunächst daran anschließt, macht deutlich, dass wir eben im Advent beides in den Blick nehmen sollen: die Erlösung der Welt durch die Menschwerdung Gottes, aber auch die Vollendung der Welt bei der Wiederkunft Christi.
Die Adventszeit ist übrigens nicht nur der Beginn des Kirchenjahres, sondern war seit frühkirchlicher Zeit und bis vor einhundert Jahren auch eine Fastenzeit. Wir erkennen das noch heute beispielsweise an der Verwendung der liturgischen Farbe violett und daran, dass im Wortgottesdienstteil der Messe das Gloria wegfällt. Auch inhaltlich finden wir viele Parallelen zwischen Advent und Fastenzeit: In den Schrifttexten geht es in diesen Zeiten besonders um den Aufruf zur Umkehr.
Fasten, so habe ich gelesen, leitet sich vom gotischen Wort ‚fastan‘ ab. Das bedeutet zum einen „festmachen“. Im Englischen wird es in diesem Sinne verwendet. Sie kennen es aus dem Flugzeug: „Fasten your seat belts“. Doch das ursprüngliche Wort hat noch zwei weitere Bedeutungen, die wunderbar zum heutigen Evangelium passen: nämlich „bewachen“ und „aufmerksam beobachten“.
„Seid wachsam!“, so fordert uns Jesus im heutigen Evangelium auf. Doch wichtig ist, das mit der Wachsamkeit richtig zu verstehen.
Wachsam sein steht in enger Verbindung mit Warten. Da kann es sein, dass lange Zeit nichts passiert; dass das, worauf wir warten, immer noch nicht eintrifft; dass eine Person, auf die wir warten, lange nicht kommt. Dann birgt wachsam sein die Gefahr, irgendwann müde und resigniert zu werden und die Hoffnung aufzugeben. Andererseits wissen wir, dass es Menschen gibt, die in dauernder Anspannung leben, um nur ja nichts zu verpassen. Die sich manchmal sogar mit Medikamenten oder Drogen wachzuhalten versuchen. Diese beiden Formen der Wachsamkeit machen auf Dauer krank. Sie meint Jesus sicherlich nicht.
Richtig verstandene Wachsamkeit bedeutet aus meiner Sicht, mit offenem Blick durchs Leben zu gehen. Missstände und ungute Veränderungen wahrzunehmen. Aber auch dankbar das Gute registrieren.
Man muss nicht gleich auf alles reagieren. Weder euphorisch auf das Gute, noch hysterisch auf jedes kleine Skandälchen, wie es manchmal im Internet passiert. Es geht doch eigentlich darum, im Sinne der ursprünglichen Bedeutung des Wortes Fasten Entwicklungen aufmerksam zu beobachten, um vorbereitet zu sein, um Dinge ausgewogen bewerten zu können. So bekomme ich mit, wo vielleicht Veränderungen nötig sind. Ich kann angemessen, besonnen und – so verstehe ich die Evangelien der letzten Wochen – ohne Angst handlungsfähig sein.
Vielleicht bietet die in diesem Jahr so ungewohnte Adventszeit uns die Chance, das mal bewusst zu machen, was viele von uns sich ja jedes Jahr vornehmen: Sich täglich Zeit für sich selbst und den Dialog mit Gott zu nehmen. Aufmerksam zu beobachten, wo wir die Welt im Kleinen ein bisschen verbessern können. Mit guten Taten. Mit deutlichen Worten. Mit Ermutigung. Mit Benennung von Missständen. Mit Postkarten und Telefonaten.
Kurz: Mit Veränderung, mit Umkehr. Ich kann mich verändern. Und damit ist auch die Welt Stück für Stück veränderbar. So können die kommenden drei Wochen auch mit Marzipan und Glühwein eine Fastenzeit sein.
Welt ging verloren, Christ ist geboren, singen wir bald. Der Advent sagt uns jedes Jahr aufs Neue: So geht es nicht weiter. Aber nicht als Drohung, sondern als Verheißung, als frohe Botschaft.
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen und mir einen guten Neuanfang und … ein gutes neues Jahr!
Martin Verfürth