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Sonntagsimpuls – 2. Sonntag im Jahreskreis | 17.01.2021

Impuls zum 2. Sonntag im Jahreskreis von Ludger Hiepel.

Schrifttexte

Impuls

„Seht, das Lamm Gottes!“ Zweimal sagt Johannes der Täufer im Johannesevangelium diese Aufforderung. Wir lesen es in der Textauswahl für den heutigen Sonntag. In den vorausgehenden Versen (Johannes 1,29) hatte es der Täufer schon einmal gesagt und erklärend hinzugefügt „das hinweg nimmt die Sünde der Welt“. Als die beiden Jünger im Evangelium hörten, was der Täufer Johannes über Jesus sagte, folgten sie Jesus sofort nach. Andreas, einer dieser beiden Jünger, erkennt in Jesus sofort den Messias, und erzählt es seinem Bruder Simon Petrus. Der Evangelist legt dem Täufer damit einen – für die Jünger sofort – überzeugenden theologischen Gedanken in den Mund, der sich dann im Johannesevangelium immer wieder zeigt. Als Bibelwissenschaftler fasziniert mich diese Dichte der biblischen Texte immer wieder aufs Neue.

Detail aus dem “Isenheimer Altar”

Die Vorstellung vom „Lamm Gottes“ nimmt alttestamentliche Motive und Gedanken auf. Sie steht in der jüdischen Tradition der Pessach-Lämmer, die erstmals in Ägypten geschlachtet werden und deren Blut in der Nacht des Exodus, des Auszugs der Israeliten aus dem Sklavenhaus Ägypten, auf Gottes Gebot hin an die Türpfosten als Schutzzeichen gestrichen wurde. Im Johannesevangelium stirbt Jesus dann auch in der Stunde, in der die Pessach-Lämmer im Jerusalemer Tempel geschlachtet werden (vgl. Johannes 19,14). Ein weiterer Anknüpfungspunkt ist das jüdische Fest „Jom Kippur“ (Tag der Sühne), das Versöhnungsfest. An diesem Tag macht der Hohepriester die Sünden des Volkes Israel bekannt und übertrug sie symbolisch auf einen Ziegenbock. Mit dem Vertreiben des Bocks in die Wüste wurden diese Sünden mitvertrieben (Vgl. Levitikus 16).

Der Künstler Matthias Grünewald (1470–1528) hat dieses theologische Programm auf dem Isenheimer Altar, den er ursprünglich für ein Hospiz geschaffen hat, für mich in beeindruckender Weise ins Bild gebracht. Er ist keine bloße Illustration des Evangeliums, sondern selbst theologische Aussage. Grünewald positioniert auf der rechten Seite seiner Kreuzigungsszene den Täufer Johannes (der schon unter Herodes den Märtyrertod erlitten hatte). Mit überlangem Zeigefinger weist der Täufer auf den Gekreuzigten hin. Das Lamm zu seinen Füßen verweist auf sein Zeugnis für Jesus „Seht, das Lamm Gottes“. Damit verdichtet Grünewald theologische Aussagen und Verbindungslinien des Johannesevangelium in einem Bild.

Vielleicht konnte ich auf diese Weise etwas von meiner Faszination für (bild- und bibel-)theologische Fragen weitergeben. Es lohnt sich auf eine Entdeckungsreise zu gehen, für die ich Ihnen und Euch spannende Erkenntnisse und interessante Beobachtungen wünsche!

 

Ludger Hiepel
Photo: © Jörgens.Mi/Wikipedia, Licence: CC-BY-SA 3.0, Source: Wikimedia Commons