Sonntagsimpuls – Weißer Sonntag | 11.04.2021
Impuls zum Weißen Sonntag von Nils Schultz.
Schrifttexte
Die Schrifttext finden Sie HIER.
Impuls
Sie treffen einen Freund, eine Freundin auf der Straße und die Person erzählt Ihnen eine ganz abstruse Geschichte. Es ist dabei gar nicht so wichtig, was für eine Geschichte es eigentlich ist, nur dass sie erst mal total unglaubwürdig ist. Glauben Sie ihr? Was wäre für Sie notwendig, dass Sie diese Geschichte glauben können? Was braucht es dafür? Vielleicht auch: Was ist überhaupt Wahrheit?
Die Frage ist aus unserer modernen Perspektive natürlich total leicht zu beantworten: Wahrheit ist für uns das, was Naturwissenschaftlerinnen und Naturwissenschaftler sagen. Das, was durch Tests, Messverfahren oder ähnliches festgelegt werden kann und überall auf der Welt gilt. Das ist für uns Wahrheit. Es gibt letztendlich Sicherheit, weil wir wissen: Überall auf der Welt ist dieses Wissen gleich.
Und diese Sicherheit brauchen nicht nur wir, sondern schon in biblischer Zeit brauchte man sie, was man am heutigen Evangelium sieht. Thomas braucht diese Sicherheit auch. Ihm reicht es erst einmal nicht, dass die anderen Jüngerinnen und Jünger ihm erzählen, dass Jesus als Auferstandener ihnen wieder erschienen ist, dass er unter ihnen war, dass er mit ihnen gesprochen hat.
Thomas braucht die Sicherheit, dass er es selbst erlebt hat. Er muss Jesus selber sehen und er muss sogar noch einen Schritt weitergehen: er muss ihn selber berühren. Und was passiert letztendlich? Jesus gibt Thomas diese Sicherheit. Er fordert ihn geradezu auf, ihn nicht nur anzusehen, sondern auch zu berühren.
Mit der Wahrheit haben wir als Christinnen und Christen letztendlich dann heute auch ein Problem. Denn die Wahrheit, die wir haben, lässt sich nicht so einfach durch Messverfahren, durch Tests oder ähnliches beweisen. Unsere Wahrheit ist die der Osterbotschaft. Das, was wir letzte Woche gefeiert haben. Das heißt letztendlich, dass Jesus gestorben und auferstanden ist für uns als Zeichen der Liebe Gottes.
Die Wahrheit, die wir als Kirche in die Welt hinaustragen wollen, ist die Liebe Gottes. Und diese Liebe ist unabhängig von dem, was wir als Menschen letztendlich sind. Es ist unabhängig davon, ob wir männlich, weiblich oder divers sind. Es ist egal, ob wir schwul oder hetero sind. Es ist sogar egal, ob wir Christinnen und Christen sind, ob wir an etwas anderes glauben oder ob wir sogar an nichts glauben. Das alles ist in dieser einen Wahrheit, die uns ausmacht, egal.
Aber wie gesagt, wir haben als Kirche diese Wahrheit zu vertreten, aber wir haben Schwierigkeiten damit. Denn dadurch, dass sich diese Wahrheit nicht beweisen lässt, braucht es Vertrauen. Menschen müssen uns als Kirche, als Institution, aber auch jedem einzelnen von uns, die wir in der Kirche aktiv sind, vertrauen können, um an diese Glaubenswahrheit herankommen zu können. Und dieses Vertrauen haben wir verspielt, nicht zuletzt durch den Missbrauchsskandal, aber auch durch andere Dinge wie Lehramtsentscheidungen aus Rom, wie Enttäuschungen, die Menschen durch einzelne kirchliche Akteure erfahren.
Das alles und noch viel mehr hat dafür gesorgt, dass wir über Jahre und Jahrzehnte das Vertrauen der Menschen verloren haben. Und das brauchen wir zurück. Das funktioniert aber nicht durch eine große Werbekampagne Roms. Das funktioniert nicht, indem man einfach sagt “So, wir ändern jetzt alles”. Vertrauen entsteht vor Ort. Vertrauen muss vor Ort aufgearbeitet werden. Denn Jesus sagt zwar “Selig sind die, die glauben, ohne zu sehen.” Aber letztendlich sehen wir an Thomas: Es braucht doch immer wieder Beispiele vor Ort, um an diese Wahrheit glauben zu können.
Nils Schultz