St. Urbanus für...

Laut werden und Flagge zeigen, statt auszutreten

Die Serie „Bleiben! Was Menschen in der Kirche hält“ des Bistums Essen geht an jedem Donnerstag in der Fastenzeit der Frage nach, ob und warum sich Menschen noch in der Institution engagieren und nicht austreten. In der ersten Folge kommen zwei junge Erwachsene zu Wort, die sich bei den Pfadfindern engagieren. Einer von ihnen ist Till Berendes vom Pfadfinderstamm Don Bosco.

„Stark, tolerant, wertschätzend“ gegenüber „rückständig, festgefahren, zu exklusiv.“ So klingt es, wenn der persönliche Glaube auf die Institution trifft. „Die Kirche gibt gerade nicht das beste Bild ab“, sagt Till Berendes aus Gelsenkirchen. Die Sexualmoral der Amtskirche, ihr Umgang mit der Rolle der Frau und die Missbrauchsfälle werfen düstere Schatten auf die katholische Kirche. Auch Cara-Milena Zaremba findet „es schwierig, wie Kirche momentan läuft.“ Dabei solle die doch ein Rettungsanker in schwierigen Zeiten sein. „Der Ukraine-Krieg zeigt gerade, dass wir die Glaubensgemeinschaft mehr denn je brauchen.“ Doch viele Menschen sehen das anders und haben der katholischen Kirche den Rücken gekehrt oder sind gerade dabei. „Austreten ist keine Lösung“, da sind sich die Leiterin und der Leiter der Deutschen Pfadfinderschaft St. Georg einig.

„Aus dem Schatten der alten Männer in Rom heraustreten“

„Die Verantwortung liegt bei uns: laut zu werden, Flagge zu zeigen und aus dem Schatten der alten Männer in Rom herauszutreten, die die Außendarstellung bestimmen“, bricht es aus der 24-Jährigen heraus. „Wenn alle der Kirche den Rücken kehren, wer bewegt dann noch etwas? Wer drängt dann noch auf Veränderung?“, fragt sich Till. „Ich möchte daran mitarbeiten, dass die Kirche im Heute ankommt.“ Die Institution bewegt sich nicht von selbst. Dazu müsse man sich schon aktiv miteinbringen, „Druck erzeugen. Wir als junge Leute haben heute die Chance, etwas zu bewirken“, ist sich der 23-Jährige sicher.

Vor Ort ist Kirche „komplett anders“

Diese Hoffnung der beiden jungen Erwachsenen hat einen Grund. Sie erleben Kirche vor Ort „komplett anders“, als das Bild, das die Amtskirche in der Öffentlichkeit abgibt. „Wenn ich in meine Heimatkirche gehe und die Gemeinschaft dort erlebe, macht es Spaß, mit den Leuten und meinen Freunden den Glauben zu leben“, freut sich der Soziologiestudent, der in St. Maria Himmelfahrt in Gelsenkirchen-Buer seine kirchliche Heimat gefunden hat. Und auch, dass das kirchliche Bodenpersonal in Gestalt von Propst Markus Pottbäcker starke und klare Worte gegenüber dem Missbrauch findet und er sich für die Erneuerung der Kirche einsetzt, „das macht mir Hoffnung auf Veränderung und motiviert mich, aktiv am Leben der Kirche teilzunehmen.“ Cara erlebt Kirche „als einen Ort, an dem du so angenommen wirst, wie du bist, als eine bunte und vielfältige Gemeinschaft, die dich und dein Talent fördert.“ Sie schätzt besonders, dass „kein Leistungsgedanke dabei ist.“ Dass man sich im kirchlichen Kontext nicht ständig beweisen müsse wie beispielsweise in einem Sportverein.

„Zum Glauben habe ich in der Firmvorbereitung gefunden.“

Dabei war Caras heute gute Beziehung zur Kirche nicht immer ein Selbstläufer. Phasen des Zweifelns und des Haderns bestimmten ihre Schulzeit auf einer Klosterschule, sagt die in Essen aufgewachsene Frau. „Zum Glauben habe ich erst richtig in der Firmvorbereitung gefunden.“ Bei einem „unglaublichen“ Pfarrer, der ihr zum ersten Mal wirklich zugehört habe und Raum ließ für Zweifel und Fragen „Das tat gut und hat einen neuen Blick auf Glaube und Kirche eröffnet und mich gestärkt.“ Till dagegen hat den Glauben schon mit der Muttermilch eingesogen: sein Opa war Diakon, die Oma ist noch immer Caritas-Vorsitzende, er selber ist Messdiener und seit seinem neunten Lebensjahr Pfadfinder, wie die ganze Familie mütterlicherseits. „Alles, was ich tue, wie ich lebe, gründet sich aus meinem Glauben und den aus Regeln der Pfadfinder.“

Im Sterben liegt die Hoffnung, in ein neues Leben zu starten

Sein Glaube gibt ihm Kraft und Hoffnung. Auch daran, dass mit dem Tod nicht alles vorbei ist. „Wenn wir sterben, geht’s mit der Rolltreppe in den Himmel. Das hat mir meine Mutter als kleiner Junge erzählt“, berichtet Till lachend. Dass im Sterben die Hoffnung liegt, in ein neues Leben zu starten, diesen Gedanken findet er „toll und auch beruhigend. Die Vorstellung, dass danach nichts kommt, ist gruselig. Da gibt mir der Glaube schon Halt und Kraft.“ Auch die Studentin der Sozialen Arbeit glaubt daran, dass „jemand oder etwas da ist, das alles zusammenhält und meinen Weg mit begleitet. Wo ich ganz ich selbst sein kann, der mich so annimmt, wie ich bin.“

Dieses Gottvertrauen ermutigt die zwei, noch einen Schritt weiter zu gehen. Sie wollen das, was sie erfahren haben weitergeben. Deswegen haben sie sich bei der Deutschen Pfadfinderschaft St. Georg zu Kuraten, zu geistlichen Begleitern, ausbilden lassen. „Ich habe in meiner Jugend gemerkt, wie wichtig es für mich war, jemanden an meiner Seite zu haben, mit dem ich mich vertrauensvoll austauschen konnte. Der immer ein offenes Ohr für meine Fragen und Zweifel hatte“, begründet Cara ihren Schritt, Kuratin zu werden. „Ich möchte ansprechbar sein und erfahrbar machen, dass Kirche und Glauben auch ganz anders sein können.“

Ein sympathischer Glaube mit einer coolen Botschaft.

Till möchte „seinen Wölflingen“, wie die jüngsten Pfadfinder genannt werden, „auf ihrem Glaubens- und Lebensweg das mitgeben, was ich selbst erfahren habe: einen sympathischen Glauben mit einer coolen Botschaft.“ Damit die Kinder mit offenen Augen durch die Welt gehen, ihre Meinung vertreten und sich für eine bessere Welt einsetzen. Und „eine Kirche für alle. Modern gestaltet, nicht von vorne, nicht von oben herab“, das wünschen sich die beiden. Eine Kirche der Beteiligung, egal welchen Geschlechts oder Sexualität. Eine Kirche, in der der „Glaube an Gott“ das verbindende Element ist. (JF)

Foto: Alexandra Roth | Bistum Essen