St. Urbanus für...

„Früher habe ich das Wort ‚Flüchtling‘ nur gehört …“

Ich erinnere mich an die Nacht, in der meine Mutter mich weckte und mir sagte, ich solle mich schnell fertig machen. Vor dem Fenster waren Explosionen zu hören.

Dreißig Minuten später saßen wir im Auto, oder besser gesagt, wir versuchten zu fahren, in einem Pulk von anderen Autos. Ich schaute aus dem Fenster und sah die bedrückten Gesichter der Erwachsenen und die weinenden Gesichter der Kinder in den umliegenden Autos. Und es war düster auf meiner Seele. Ich konnte immer noch die Arme meines Vaters um mich spüren. Er musste einige Zeit nach uns in einem anderen Auto abfahren, die Sorge um ihn ließ mich innerlich erstarren und ich versuchte, nicht an die schlimmen Dinge zu denken. Oma und Opa wollten nicht gehen und blieben zu Hause, weil sie nicht glauben konnten, was passiert war. Es fiel uns allen schwer zu glauben, dass in der Ukraine wirklich ein Krieg ausgebrochen war.

Wir besuchten unsere Freunde in einer sichereren Region des Landes. Jeden Tag wartete ich darauf, dass meine Eltern mir sagten, dass es vorbei sei und wir nach Hause gehen würden. Doch mit jedem Tag ertönten die Luftschutzsirenen häufiger…
Eines Tages wurde mir gesagt, dass wir ins Ausland an einen sicheren Ort gehen würden. Ich wollte das wirklich nicht, ich wollte mich nicht von meinem Vater, meinen Großeltern und meinen Freund:innen trennen, mein Zuhause verlassen und an einem fremden Ort mit Fremden leben…

Ich bin jetzt in Deutschland, in der Stadt Gelsenkirchen. Ich mag den Ort, er ist ruhig und sicher. Ich mag die Menschen vor Ort und die freundliche Einstellung zu den Ukrainer:innen. Ich besuche das Gymnasium, lerne Deutsch, setze den Fernunterricht in den Hauptfächern der ukrainischen Schule fort und studiere Programmierung und Kinematographie im Zentrum für kreative Technologien. Ich habe hier Freund:innen gefunden und wir haben an den Wochenenden viel Spaß.

Ich bete für den Frieden in meinem Land, ich vermisse meinen Vater und ich glaube, dass dieser Wahnsinn bald ein Ende haben wird.

Früher habe ich das Wort “Flüchtlinge” nur gehört, aber seine Bedeutung nicht ganz verstanden. Nun ist es so weit, dass ich ein Flüchtling bin. Ich habe es nicht gewollt, niemand hat es gewollt, es ist einfach passiert.

Ich umarme alle, die ihre Heimat verlassen mussten, und danke allen, die uns unterstützt haben!

Mascha, 14 Jahre, hat uns ihre Geschichte erzählt. Katharina hat sie aufgeschrieben.
Beide haben nach ihrer Flucht in Gelsenkirchen einen sicheren Ort gefunden.


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