Wohnprojekt in Hassel
Das Leben in einer Wohnung ist ein zentrales, menschliches Grundbedürfnis. Eine eigene Wohnung ermöglicht eine selbstbestimmte Lebensführung; hier bietet sich Schutzraum und eine Privatsphäre. Es ist der Ort für Unabhängigkeit, Selbstständigkeit, Rückzug und Erholung. Daher ist eine Versorgung mit Wohnraum und die stabile Absicherung eines Mietverhältnisses eine wesentliche Voraussetzung zur Stabilisierung der Lebensverhältnisse von Menschen in Wohnungslosigkeit und/oder psychischen Ausnahmesituationen.
Wie Menschen auf den Verlust reagieren, ist individuell sehr verschieden. Einerseits ist die persönliche Fähigkeit, mit einer Krisensituation generell umgehen zu können, davon betroffen, anderseits ist es entscheidend, wie zeitig ein Beratungs- und Hilfesystem angenommen wird.
Ein Wohnungsverlust steht häufig am Ende einer Kette von Ereignissen wie z.B. Arbeitslosigkeit, psychische und physische Erkrankungen, Einkommensverlust, Zahlungsunfähigkeit, soziale Isolation, Streit und Gewalterfahrungen in Familien.
Begleitete Bereitstellung von Wohnraum
Von Wohnungsverlust betroffene und bedrohte Menschen benötigen professionelle sozial begleitete Unterstützung, um wieder oder aber weiterhin möglichst selbstständig in einer eigenen Wohnung leben zu können. Sie müssen wieder Routine erlangen, Eigenverantwortung zu übernehmen, Handlungskompetenzen und Problemlösungsstrategien zu entwickeln, und eine positive Lebensperspektive erkennen. Durch die Sicherung oder Bereitstellung des Wohnraums („Housing First“) ergeben sich für die Betroffenen neue Möglichkeiten ihre Lebensumstände zu verbessern und den Zugang zur Gesellschaft wieder zu ermöglichen.
Wohnungslosigkeit und Wohnungslosenhilfe in Gelsenkirchen-Buer
In der „Integrierten Wohnungsnotfall-Berichterstattung“ des Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales NRW* wurden im Jahr 2021 (Stichtag 30. Juni) in Gelsenkirchen 445 wohnungslose Personen gezählt, wovon 150 Personen durch kommunale und ordnungsrechtliche Unterbringung erfasst und 295 Personen von freien Trägern der Wohnungslosenhilfe gemeldet wurden.
Im Rahmen der Wohnungslosenhilfe gibt es in Gelsenkirchen ein breites Netzwerk unterschiedlicher Akteur:innen. Das Weiße Haus des Caritasverbandes in Gelsenkirchen-Buer bietet ca. 100 wohnungslosen Klient:innen die Möglichkein einer Beratung und elementaren Grundversorgung an 365 Tagen im Jahr an. Sie wohnen in der Zeit ohne Mietvertrag wechselweise in unsicheren Wohnverhältnissen bei Freunden, Bekannten oder Verwandten. Einige werden in den Notschlafstellen der Stadt Gelsenkirchen untergebracht oder schlafen draußen.
Ein Projekt im Winter 2021 in den Gemeinderäumen von St. Theresia in Gelsenkirchen Hassel, bei einem Kälteeinbruch mit Temperaturen von -17 Grad, hat die unterschiedlichen Bedarfe situativ sichtbar gemacht. Sieben obdachlose Personen konnten somit einen schützenden, individuell angepassten Wohnraum bekommen und wurden in der Zeit von Mitarbeiter:innen des Weißen Hauses begleitet und betreut.
Ein weiterer positiver Effekt auf Grund dieser Erfahrung führte zur verstärkten Annahme weiterer Hilfsangebote, um eine (Wieder-)Eingliederung in „übliche Lebensverhältnisse“ zu erreichen. Die Mitwirkung des Betroffenen ist dazu die Grundvoraussetzung.
Wohnprojekt Hassel: alternative individuelle Unterstützungsangebote als Ergänzung zu bereits vorhandenen Strukturen
Das Wohnprojekt Hassel schafft Räume und Gelegenheiten für Menschen, sich aus existenzbedrohenden Lebenslagen zu befreien. Hierzu bietet das Projekt zum einen die Voraussetzung, dauerhaft mietrechtlich abgesicherten Wohnraum zu beziehen. Zum anderen sind die unterschiedlichen Wohnformangebote zusätzlich mit der Bereitstellung unterschiedlicher, freiwillig in Anspruch zu nehmender, persönlicher Hilfs- und Unterstützungsangebote verknüpft.
Ausgerichtet an den persönlichen Bedürfnissen der einzelnen Teilnehmer:innen bietet das Wohnprojekt unterschiedliche Möglichkeiten:
1) Das Wohnen in Tiny Houses
für Menschen, die ggf. zu Beginn eines Mietverhältnisses aus den unterschiedlichsten Gründen nicht in eine „normale“ Wohnung ziehen möchten. Bei dieser Wohnform besteht die Möglichkeit, von einer zeitlichen Befristung bis hin zum Dauermietverhältnis ein Angebot für die Menschen zu machen. Die kleine Einheit von lediglich 4 Tiny Houses mit insgesamt vier Bewohner:innen bietet eine gute Voraussetzung, dass die Menschen gut in den Sozialraum eingebunden werden können.
Die Tiny Houses werden in einem der arbeitsmarktpolitischen Projekte der Katholischen Jugendsozialarbeit gGmbH (KJS), Kreisel, gefertigt. In diesem Projekt geschieht die arbeitsorientierte Begleitung von langzeitarbeitsloen Jugendlichen und jungen Erwachsenen bis 30 Jahre ohne hinreichende Qualifizierung für den 1. Arbeitsmarkt im Bereich „gewerkübergreifender Holzbau“. Dadurch werden hochwertige und ausgesprochen arbeitsmarktnahe Angebote geschaffen, die den Teilnehmer:innen des Projektes an Arbeitsbedingungen und Arbeitsinhalte des ersten Arbeitsmarktes heranführen und damit auch prospektiv ihre Vermittlungschancen auf dem regulären Arbeitsmarkt erhöhen.
2) Das Ambulant Betreute Wohnen im Pfarrhaus
als gemeindenahe, ambulante Möglichkeit. Es ist ein gemeindenahes intensiv-personen-zentriertes Angebot zur sozialen Eingliederung und Rehabilitation des Caritasverbandes Gelsenkirchen. Schwerpunkte der Tätigkeit sind neben stabilisierenden Beratungs- und Betreuungsgesprächen die Anleitung zur Selbstversorgung und zu selbstständiger Lebensführung.
Mit der Sicherstellung der Einhaltung ärztlicher Verordnungen und begleitenden Hilfen in Gesprächen sowie Motivierung und Hinführung zu Freizeitangeboten und Vermittlung von Hilfen zur Sicherung der materiellen Lebensbedingungen soll die weitgehend autonome Lebensführung in der eigenen Wohnung sichergestellt bzw. erhalten bleiben.
3) Die kurzfristige, unbürokratische Unterkunft in Gästezimmern im Pfarrhaus
bei starken Wetterereignissen wie Kälte, Sturm oder Hitze sowie anderen akuten Notlagen.
4) Ankerpunkt und Schnittstelle
Das Sozial-Caritative Zentrum 7 Werke steht zusammen mit dem Caritasverband Gelsenkirchen, der Katholischen Jugendsozialarbeit und mit anderen Akteur:innen im Stadtteil als Ankerpunkt und Schnittstelle für die Integration in den Sozialraum an der Seite der Teilnehmer:innen.
Im ehemaligen Pfarrhaus entsteht neben den Wohnungen auch das Second-Hand-Café einmalich – Kaffee und Klamotte. Das Café ist für die ganze Nachbarschaft geöffnet und bietet gebrauchte Kleidung, Spielsachen und Schulmaterialien an – Geld schonend und ökologisch nachhaltig.
An der Einrichtung und Eröffnung arbeiten die Bewohner:innen bereits mit und haben die Möglichkeit, im täglichen Betrieb eine Tagesstruktur zu entwickeln. Durch ihre Integration ins Team und vielfältige Gelegenheiten, ihre Fähigkeiten einzubringen sowie Wertschätzung für ihr Engagement im Umgang mit Gästen des Cafés zu erfahren, wird die Selbstachtung der Bewohner:innen gestärkt. Das gleiche gilt für Aufgaben als Kümmerer:in in 7 Werke – bei der Logistik im täglichen Betrieb, auf der Quartiersoase – dem entstehenden Pocket-Park auf dem Außengelände der Kirche –, oder im Service bei Veranstaltungen etc.
Die WAZ berichtete am 20.04.2023 über das Projekt (zum WAZ+ Artikel)
Ansprechperson für Anfragen:
Ludger Klingeberg, Referent für Öffentlichkeitsarbeit
0178 90 30 584
ludger.klingeberg@urbanus-buer.de